Alle paar Jahre entdecken wir eine neue Seite von Paris.
In diesem Jahr fuhren alle Metros, aber es war eine ganz schöne Schnitzeljagt bis wir hinter den sieben Treppen, hinter den sieben Ecken endlich den Servicepunkt gefunden hatten, an dem noch echte Menschen echte Karten verkauften, die sich dann später wieder über Automaten aufladen lassen. Denn Paris fährt ab diesem Jahr navigo-digital, ähnlich wie London mit der Oystercard. Praktisch, aber eine Umstellung. Beim nächsten Mal wird alles leichter.
Diesmal wollten wir uns die wiedereröffnete Notre Dame anschauen. Das hat nur zum Teil geklappt, nämlich zum äußeren Teil. Zwei Tage im Voraus kann und sollte man sich einen Zeitslot buchen – kostenfrei. 10.000 – 15.000 Slots werden täglich auf der Originalwebsite der Notre Dame dafür freigegen. Dummerweise sind die Zeitslots sofort ausgebucht. Immerhin versuchen mehrere Hundert Menschen und Bots? gleichzeitig einen dieser seltenen Zeitschnipsel zu bekommen. Von außen ist die Notre Dame aber nachwievor sehenswert und ganz in der Tradition des Kölner Doms wird wohl immer ein Teil Gerüst an ihr bleiben. Auf dass die Welt erst untergehe, wenn Dom und Dame mal fertig sind.
Auf dem Vorplatz war bei bestem Frühsommerwetter eine engagierte Fotografin mit Fakeklappkamera unterwegs und hat Fotos für „Donation“ gemacht. Erst war ich gar nicht so spendabel, aber als sich herausstellte, dass die Fotos in einer auf alt gemachten Zeitungsseite ausgedruckt wurden, dass die Fotografin auch gleich mehrere für jeden von uns ausgab und dass die Erlöse an die Ukraine gingen, wollte ich mich doch nicht lumpen lassen. Eine gute Investition in jeder Hinsicht.
Danach ging es durch schwülwarme Straßen stramm bergauf geradewegs zum Pantheon. Nachdem Google versagt hat, haben wir uns einfach nach den Schildern gerichtet.
Bislang hatte ich das Pantheon immer ausgeklammert, weil ich es mit ausgeprägtem Nationalstolz nicht so habe. Und das Pantheon ist nunmal eine Ruhmeshalle. Dann stieß ich aber über Umberto Eco‘ s „Das Foucaultsche Pendel“ darauf, dass das Pendel in Paris hängt. Mittlerweile ist es jedoch vom Conservatoire des Arts et Métiers ins Pantheon umgezogen und das war der Anlass, sich die heiligen Hallen doch einmal näher zu betrachten. Im Übrigen der perfekte Ort, um an einem heißen Tag entspannt Kunst in vielfältigster Form zu genießen.
In der labyrinthisch wohl strukturierten Krypta des Pantheons wird nicht nur Größen wie Voltaire, Marie Curie oder den Gefallenen der Märzrevolution gedacht, die sich um Frankreich verdient gemacht haben. Das Gebäude an sich ist architektonisch ein Augenschmauß und akkustisch ein Genuss voller Klang.

Im Herzen der Halle hängt das Foucaultsche Pendel und zieht seine Bahn im Erdkreisrhythmus. Die kuppelartigen Decken der durch Säulen unterteilten Hallen und Seitenhallen wirken wie eine Mischung aus orientaler und okzidentaler Kunst. Die Wände selbst erzählen die Geschichten großer Persönlichkeiten, die die Geschichte – nicht nur Frankreichs – bis heute geprägt haben. So wird zum Beispiel die Geschichte Jeanne d‘ Arcs abgebildet. Vom Bauernmädchen, das den heilgen (Kampf-) Geist empfängt, die ruhmreich in die Schlacht zieht und den Menschen dadurch bis heute eine Quelle der Hoffnung geworden ist. Auch wenn oder grad weil sie später auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, so bleibt doch bis heute ihr Name im kollektiven Gedächtnis, als Heldin, die ihre Widersacher über Jahrhunderte überlebt. Die Bilder sind eindrucksvoll gemalt. Man kann sich direkt in die Szenen hineinversetzen.
Nachdem wir Kunst und Kühle ausreichend genossen hatten, sind wir weiter zum Jardin du Luxembourg. Wir wollten uns bei einem Picknick stärken – temperaturgerecht mit selbstgemachtem Nudelsalat und Obst. Der Park liegt in direkter Luftlinie zwischen Pantheon und Eiffelturm. Diesmal mussten wir nur ein kurzes Stück bergab.

Im Gegensatz zu unserem letzten Besuch – damals war es Oktober – war der Jardin du Luxembourg diesmal rappelvoll mit fröhlichen Menschen. Im Parkpavillion spielte eine peppige Blaskapelle und auf der Wiese vor unserer Bank im Schatten tummelten sich Scharen von gallischen Staren statt typisch allemannische Amseln. Ein buntes, wuseliges Pariser Treiben. Eines Monet- Bildes würdig. Nur auf modern. Ein wunderbarer Abschluss eines herrlichen Familientages.
Die Rückfahrt hat denn doch noch eine sportliche Einlage gefordert. In Bruxelles blieb der Zug stehen – auch der Zugteil, der Richtung Dortmund angezeigt war. Eine unverständliche Ansage und Nachfrage beim Schaffner weiter stellte sich am Ende heraus, dass wir in den Zug Richtung Köln wechseln mussten. Am selben Bahnsteig gegenüber, aber mit spiegelverkehrter Wagenreihung. Das heißt, wir mussten im Eiltempo unsere Sachen packen und einmal den ganzen Bahnsteig runterrennen. Danach waren wir wieder wach. Glücklicherweise war auch dieser Zug gut gekühlt und kam tatsächlich planmäßig zu Hause an. Warum der Wechsel ist unklar. Vielleicht ein (Ent-) Kopplungsproblem. In jedem Fall ist es gut zu wissen, dass man auf der Strecke mit leichtem Gepäck reisen sollte und in Bruxelles die Ohrenstöpsel für etwaige Ansagen rausnimmt und wenn die anderen Passagiere aussteigen, dann sollte man beim Schaffner nachfragen, auch wenn nachwievor das richtige Ziel in der Informationstafel ausgezeichnet wird.
Den gelungenen Zugwechsel haben wir am Ende mit einem spannenden Kniffelspiel gewürdigt und unsere Fahrt glücklich beendet.