Gestern um 6 Uhr in der Frühe. Der Kaffeeduft zieht durch die Wohnung. Seit einigen Tagen habe ich eine selbststartende Maschine. Und wie es der Zufall will, der Timer funktioniert zuverlässig. Ganz anders als mein Wecker. Deshalb bin ich auf analogen Wecker und digitalen Kaffee umgestiegen. Heute muss ich pünktlich sein.
Für Acht hat sich eine Klientin angesagt. Aus einem unerfindlichen Grund ist ihre Küche abgebrannt. Einen Hinweis auf Brandstiftung gibt es nicht, aber sie traut der Sache nicht. Vor Kurzem hat sie Drohbriefe erhalten. Sehr unschöne und beleidigende Pampflete. Sie scheint jemandem gehörig auf die Füße getreten zu sein.
Sie kommt in mein neues Büro. Wobei Büro ein Euphemismus ist. Der Raum mit Vorraum und Abstellkammer ist ausgesprochen schlicht und unspektakulär. Immerhin habe ich mir eine Monstera für den gewissen Büroflaire gegönnt. Das vermittelt eine gewisse Seriösität.
Die Klientin berichtet mir von den Umständen. Sie war kurz bei der Nachbarin, um sich drei Eier zu borgen, hatte sich etwas verquatscht und als sie aus der Haustür kommt, um nach Haus zu gehen, sieht sie ihre Küche in Flammen stehen. Die Feuerwehr ist schnell da, keine weiteren größeren Schäden.
Ich sehe mir die Drohbriefe an und gehe dem nach. Der erste Brief führt mich zu einem Theaterintendanten. Offensichtlich bei der Wortwahl. Anschuldigungen gespickt mit Sätzen wie „Ich seh hinter deine Kulissen“ und „Dein Haus ist eine offene Bühne für mich“, und so weiter. Davon abgesehen ist sie eine vielgelesene Kritikerin und hatte ein neu inszeniertes Stück ziemlich auseinandergenommen. Berechtigt vielleicht, aber das ist Geschmackssache. Als ich ins Theater komme, laufen gerade Proben. Der Intendant ist im Haus unterwegs. Auf den obersten Rängen, die Akkustik prüfen.
Der direkte Weg ist oft der Beste.
„Am 5. März wurden Sie vor dem Haus meiner Klientin gesehen. Und auch am 6. März, am 7. März und am 10. März. Sie haben sie öffentlich beschimpft und ihr gedroht. Am 12. März wurde der Brand ausgelöst. Das sind auffällige zeitliche Koinszedenzen.“
„Ja, ich hab Dampf abgelassen. Mit dem Brand habe ich aber nichts zu tun.“ Welche Antwort hatte ich auch erwartet. Ein Versuch war es wert. Letztlich stellt sich raus, dass er zur Brandzeit ein ernstes Gespräch mit der Hauptdarstellerin hatte. Dafür gibt es ausreichend Zeugen.
Hoffnungsvoller verfolge ich schon den zweiten Brief. Der ist kryptisch. Enigma Code mit anzüglichen Skizzen. Das lässt auf einen tüftlerischen Geist schließen. Stimmt auch. Der Nachbar zur Linken ist außer Buchhalter und Ornitologe auch Tüftler.
Zur Brandzeit war er zu Hause, wie der Paketbote bestätigt. Das Paket roch auffällig nach Guano. Gut getrocknet ein hervorragendes Brandmaterial und unverdächtig noch dazu. Na ja, jedenfalls fast. Immerhin hak ich nach. „Meine Klientin hat Sie gesehen, als Sie ihr diese Skizze unter die Tür geschoben haben. Und es war nicht die erste.“ “ Na ja, schauen Sie sie doch an. Sie ist ein Leckerbissen, aber ganz schön arrogant. Ich brauchte etwas Abwechslung.“ Niedere Motive heißt es doch immer. Nur zu wahr.
Den Guano hatte er nachweislich für den Garten verwendet und für seine ornitologischen Studien. Außer unerfreulich und Strafanzeige wegen Belästigung, war es das also nicht. Keine Brandstiftung.
Langsam gehen mir die Optionen aus.
Langsam streife ich nochmal durch die verkohlten Küchenreste. Ich bin kein Brandexperte, aber ich kann eins und eins zusammenzählen. Auf der Fensterbank liegen feinste Glassplitter. Pflanzenfasern liegen in der Spühle. Ich stelle meine Klientin zur Rede. „Haben Sie ein aktuelles Foto, auf dem Ihre Küche kurz vor dem Brand zu sehen ist?“ Der Zufall ist mir gewogen. Ein Foto durchs Küchenfenster aufgenommen, das die frühlingshafte Vorgartenbepflanzung mitsamt ornitologischem Nachbarn im Hintergrund zeigt. „Stand die Monstera immer an der Stelle?“ „Nein, ich musste sie für das Foto von der Fensterbank runter stellen.“
„Na, dann haben wir die Lösung. Sie hatten ein Prisma im Fenster hängen, oder? Und die Monstera hatte trockene Blätter?“ „Ja, das Prisma war ein Geschenk von einer Freundin und die Blätter wollte ich noch abmachen.“ „Da waren Sie nicht schnell genug. Offensichtlich ist ein trockenes Blatt von alleine abgefallen. Die Sonne steht noch nicht sehr hoch und durch die Brechung von Fenster und Prisma war das Blatt gerade lange genug im Fokus der Sonnenstrahlen und hat sich entzündet. Lupeneffekt – reiner Zufall.“